Hilfe zur Barrierefreiheitserklärung

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Digitale Barrierefreiheit im Reisebüro – Hilfe zur Barrierefreiheitserklärung

Worauf muss ich bei meiner Barrierefreiheitserklärung achten?

Während der ReiseZukunft-Impulsveranstaltung zum Thema „Digitale Barrierefreiheit im Reisebüro – Hilfe zur Barrierefreiheitserklärung“ zeigte Marie Vandersanden von TourismLawyers, worauf Touristiker achten müssen, wenn sie im Rahmen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetztes (BFSG) die Barrierefreiheitserklärung aufsetzen müssen.

Marie Vandersanden ist Rechtsanwältin und Inhaberin der international tätigen Kanzlei Vandersanden. Unter der Marke TourismLaywers berät sie die Tourismuswirtschaft. Außerdem ist sie Lehrbeauftrage für Wirtschaft- und Tourismusrecht an der Universität Bremen und an der Universität Wien.

Marie Vandersanden

Kontakt: bfsg@kanzlei-vandersanden.de

KONTAKT

Hier finden Sie die Präsentation und die Videoaufzeichnung des Webinars:

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG):
Ab dem 28. Juni 2025 tritt das BFSG in Kraft und verpflichtet Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit sowie zur Erstellung einer Barrierefreiheitserklärung. Wird das Gesetz nicht beachtet, drohen:

  • Marktüberwachungsmaßnahmen
  • Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen
  • Reputationsschäden

Barrierefreiheitserklärung: Inhalte und Anforderungen
Die Erklärung ist für alle Dienstleistungen verpflichtend – nicht nur für Webseiten!
Wichtig ist insbesondere:

  • Der Fokus liegt auf der Erfüllung des BFSG
  • Unternehmen müssen nachvollziehbar dokumentieren, wie die Anforderungen umgesetzt wurden
  • Viele aktuell im Umlauf befindlichen Erklärungen sind rechtlich nicht korrekt

Unterschiede: OTA, klassisches Reisebüro und Eigenvertrieb

Die gesetzlichen Anforderungen unterscheiden sich je nach Vertriebsmodell:

  • Online-Reisevermittler (OTA) und Reisebüros mit Eigenvertrieb haben unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen, da im Direktvertrieb ggf. Personenbeförderungsdienste barrierefrei angeboten werden müssen, während Reisebüros nur die Buchung barrierefrei anbieten müssen.
  • Sowohl OTAs als auch Reisebüros mit Eigenvertrieb müssen sich zur barrierefreien Gestaltung ihrer konkreten Dienstleistungen erklären.
  • Reiseveranstalter mit Eigenvertrieb müssen darüber hinaus auch personenbeförderungsbezogene Dienstleistungen barrierefrei anbieten
    → Alle müssen eine Erklärung für ihre jeweiligen Dienstleistungen abgeben

Befreiung von der Verpflichtung? Nur selten möglich
Befreiungstatbestände sind im Gesetz eng gefasst:

  • Wesentliche Änderung der Dienstleistung (i. d. R. nicht anwendbar im Tourismus)
  • Unverhältnismäßige Belastung → erfordert umfassende Begründung & Dokumentation
  • Meldepflicht bei Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung
  • Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Erklärung erforderlich

Der 3-Punkte-Plan zur Umsetzung:

  1. Prüfen, ob das BFSG auf die eigene Dienstleistung anwendbar ist
  2. Festlegen, welcher Teil der Dienstleistung betroffen ist und wie der Umsetzungsstand aussieht
  3. Formulieren einer gesetzeskonformen Erklärung inkl. Umsetzungsplan

Fragenkataloge von TourismLaywers:

  1. BFSG-Check mit ca. 200 Kriterien: Anwendbarkeit bzgl. aller tourismusspezifischer Kriterien & Ausnahmen
  2. Umsetzungscheck (ca. 300 Kriterien) für ermittelte Dienstleistungen: Berücksichtigung aller tourismusspezifischen Elemente & Vorgaben an die individuell relevanten Dienste und Verkehrsmittel
  3. Formulierung der Erklärung & individueller Umsetzungsplan inkl. aller Pflichtinformationen & Berücksichtigung von Befreiungen zzgl. Maßnahmenplan für (noch) nicht barrierefreie Elemente & Aktualisierung

Warnung vor Mustererklärungen:

Achtung bei Mustererklärungen, die für Behörden entwickelt wurden. Behördenmuster bieten Angriffsfläche für Abmahnungen!

Warnung vor KI-Plugins und Overlay-Tools:

Sogenannte Accessibility-Plugins oder KI-gestützte Tools (z. B. AccessWidget, AccessBe) suggerieren eine schnelle Lösung – sind aber rechtlich riskant. Sie:

  • ersetzen keine fachgerechte Umsetzung
  • verstoßen häufig gegen gesetzliche Vorgaben
  • können zu Millionenstrafen führen

Wer haftet bei Verstößen?

Bei fehlender oder fehlerhafter Barrierefreiheitserklärung kann Haftung drohen – für:

  • das Unternehmen selbst (z. B. Reiseveranstalter, Reisebüro, OTA)
  • IT-Dienstleister, die die technische Umsetzung übernommen haben
  • Drittanbieter, z. B. bei Nutzung externer Buchungssoftware

Mustererklärungen für Behörden? Laut Referentin wie Osterhasen unterm Weihnachtsbaum: Auf den ersten Blick ganz nett – aber irgendwie stimmt da was nicht. (Bildquelle: Rechtsanwältin Marie Vandersanden)

Fazit:
Die Barrierefreiheitserklärung ist keine bloße Formalität, sondern ein zentrales Element zur Erfüllung des BFSG. Wer sie ernst nimmt und professionell umsetzt, schützt nicht nur sich selbst vor rechtlichen Risiken, sondern verbessert auch die Zugänglichkeit für alle Reisenden und die eigene Serviceleistung.

Empfehlung: Jetzt vorbereiten – prüfen, planen, dokumentieren und rechtssicher erläutern.

Rückmeldung zu der Frage, ob man als Grund für die Nichtumsetzung des BFSG unverhältnismäßige Belastung nach § 9a Abs. 4 NBGG angeben kann.

Klare Antwort: Nein!

Es handelt sich hier um eine Vorschrift aus dem Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG). Diese gilt

  1. nur in Niedersachsen
  2. nur für Behörden
  3. bietet selbst keinen Ausnahmetatbestand, sondern besagt lediglich, dass Behörden sich bei unverhältnismäßiger Belastung auf Ausnahmen berufen können und verweist hierzu auf die entsprechende Rechtsvorschrift, die hierfür die erforderlichen Kriterien dafür, nämlich die Richtlinie (EU) 2016/2102. Bei dieser Richtlinie handelt es sich um die Barrierefreiheitsrichtlinie für öffentlichen Stellen, also wieder um Kriterien, die nur für Behörden gelten, der gerade auf Unternehmen der Privatwirtschaft nicht anwendbar sind.

Fazit: Es liegt also ein klassischer Fall von Osterhasen unterm Weihnachtsbaum vor! Die genannte Vorschrift ist für Unternehmen nicht anwendbar. Und: es müssten auch die Voraussetzung vorliegen, um sich darauf berufen zu können. Für Unternehmen der Privatwirtschaft sind diese im BFSG (§ 17) und in der entsprechenden Anlage 4 zum BFSG genannt. 

Wichtig außerdem: man kann sich nicht auf die Ausnahme berufen, diese muss auch zutreffen, was zu dokumentieren und zu melden ist.  

Weiteres Beispiel sind auch die Zitate von BITV 2.0, die ebenfalls gerne genannt werden, aber nur für Behörden gelten. 

Und der Grundaufbau ist natürlich zu beachten: die Barrierefreiheitserklärung für Unternehmen hat andere Inhalte als die Erklärung für Behörden. So müssen Behörden sich zum Stand der Barrierefreiheit erklären, während Unternehmen die Barrierefreiheit vollständig herstellen müssen und daher kein Raum bleibt für Erklärung über Bemühungen. Diese zu nennen bieten lediglich Angriffsfläche für Abmahnungen.