Digitale Barrierefreiheit im Reisevertrieb
Digitale Barrierefreiheit für dein Reisebüro: Was das BFSG ab 2025 für dich bedeutet
Warum Barrierefreiheit nicht nur ein „Nice to have“ ist
Barrierefreiheit betrifft mehr Menschen, als du denkst: Rund jede zweite Person in Deutschland profitiert von barrierefreien digitalen Angeboten – ob dauerhaft behindert, temporär eingeschränkt (z. B. durch einen Gipsarm oder blendendes Sonnenlicht) oder mit Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben oder Verstehen der Sprache.
Wenn dein Reisebüro digital inklusiv denkt, erreichst du mehr potenzielle KundInnen – und bietest allen ein besseres Nutzererlebnis. [1]
Ab 28. Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Am 22. Juli 2021 wurde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Der Inhalt dieses neuen Gesetzes basiert auf der EU Richtlinie 2019/882 zur Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen. Als Folge daraus müssen vom 28.06.2025 an alle Produkte und Dienstleistungen die typischerweise für den Zugang zum Internet und den Abschluss von Verträgen über das Internet genutzt werden, barrierefrei sein [2].
Bei den Dienstleistungen, die barrierefrei zu gestalten sind, handelt es sich um Telefondienste, E-Books, Messenger-Dienste, auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen (inklusive Apps) im überregionalen Personenverkehr, Bankdienstleistungen, elektronischer Geschäftsverkehr und Personenbeförderungsdienste (für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste nur interaktive Selbstbedienungsterminals) [2].
Was genau bedeutet barrierefrei?
Nach Definition des Gesetzes ist Barrierefreiheit für Dienstleistungen dann der Fall, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“ (§ 3 Absatz 1 Satz 2). Beispielsweise müssen Websites für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft so gestaltet sein, dass sie ohne fremde Hilfe auf diesen navigieren können [3].
In Bezug auf den Reisevertrieb sind hierbei die barrierefreie Gestaltung von Telefondiensten und des elektronischen Geschäftsverkehrs wichtig. Unter den elektronischen Geschäftsverkehr fallen hierbei der Verkauf von Buchungspaketen oder Reisen direkt über die eigene Website (e-commerce), aber auch die Buchung von Terminen zur Beratung [3].
Laut Gesetz sollen digitale Inhalte:
- Wahrnehmbar sein – etwa durch Kontraste, Alt-Texte, klare Struktur
- Bedienbar – z. B. ohne Maus oder nur mit der Tastatur
- Verständlich – z. B. durch einfache Sprache, konsistente Menüs
- Robust – mit Screenreadern & Co. kompatibel
Auch deine AGB müssen in barrierefreier Form zur Verfügung stehen.
Gilt das auch für mein Reisebüro?
Ja – sofern du online buchbare Dienstleistungen für VerbraucherInnen anbietest.
Ausnahme: Du betreibst ein Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 2 Mio. €. Dann gilt die Pflicht nur für Produkte, nicht für deine Dienstleistungen. Trotzdem kann es sich lohnen, freiwillig barrierefrei zu werden – denn deine Zielgruppe wird dadurch größer und zufriedener.
Und aufgepasst: Auch Inhalte auf Social Media wie Instagram oder Facebook zählen, wenn sie zur Buchung führen (z. B. über einen Link zum Buchungsformular) [4].
Wie barrierefrei ist der Reisevertrieb aktuell?
Eine Studie von Buzzmatic, die die Startseiten von 2.446 Onlineshops mithilfe von Accessibility-Tools analysierten ergab, dass nur 1% der Shops alle Anforderungen des BFSG vollständig erfüllten. Die restlichen 99% müssen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Maßnahmen ergreifen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Bei den drei häufigsten Barrierefreiheitsproblemen handelte es sich um schlechte Navigationsstrukturen, unzureichende Text-Kontraste und unklare Linkbeschriftungen. [5]
Laut einer anderen Studie von Capterra aus dem Jahr 2024, schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei Unternehmens-Webseiten weltweit mit Funktionen zum barrierefreien Zugang gut ab. Auch scheinen die deutschen Unternehmen gut auf das BFSG vorbereitet zu sein: 36% haben bereits einen Plan umgesetzt, weitere 42% einen solchen zumindest ausgearbeitet, wenn auch noch nicht umgesetzt. [6]
Vorteile einer schnellen Umsetzung
Wer schon jetzt damit beginnt, seine Website barrierefrei zu gestalten, erspart sich nicht nur den Stress, bis Juni alle Anforderungen unter Zeitdruck umzusetzen. Vielmehr eröffnet sich die Chance, langfristig neue und treue NutzerInnengruppen zu gewinnen: Menschen mit Beeinträchtigungen, die nach langer Suche endlich eine Website finden, die ihren Bedürfnissen gerecht wird, bleiben dieser oft dauerhaft verbunden. Darüber hinaus honorieren Suchmaschinen barrierefreie Inhalte mit einem besseren Ranking – und sorgen so für eine deutlich größere Reichweite. [7]
Darüber hinaus kann sich eine verbesserte Performance in sozialen Medien ergeben, da zufriedene KundInnen ihre positiven Erfahrungen teilen und negative Rückmeldungen und Beschwerden von unzufriedenen NutzerInnen reduziert werden. [6] Ein weiterer Vorteil besteht in der zusätzlichen Gewinnung von Fachkräften, da durch den erweiterten Nutzerkreis die Sichtbarkeit der Stellenanzeigen steigt.
Barrierefreiheit ist ein echter Wettbewerbsvorteil:
- Rechtssicherheit
- Mehr KundInnen-Zufriedenheit und geringere Absprungrate
- Höheres Google-Ranking
- Größere Zielgruppe, inkl. Menschen mit Behinderung, Senioren, Familien
- Positives Markenimage und mehr Sichtbarkeit
Praxisleitfaden
Der Bitkom e.V. hat einen Praxisleitfaden mit ausführlichen Hintergrundinformationen und Tipps zur Umsetzung des BFSG veröffentlicht (https://www.bitkom.org/sites/main/files/2025-01/bitkom-praxisleitfaden-anforderungen-aus-dem-bfsg.pdf) [8]. Auch die Bundesfachstelle hat Leitlinien für die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes veröffentlicht (https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Downloads/DE/Externe-Veroeffentlichungen/bmas-leitlinien-bfsg.pdf?__blob=publicationFile) [3]. Zusätzlich können auch Online-Tools wie Lighthouse [9] oder Axe DevTools vorab verwendet werden, um ein erstes Bild über den aktuellen Status der Website zu erhalten. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese meist nur ca. ein Drittel der notwendigen Kriterien überprüfen [6].
Falls ihr noch mehr rund um das Thema Digitale Barrierefreiheit und BFSG wissen wollt, dann merkt euch folgenden Termin vor:
Impulsveranstaltung
„Barrierefreiheit bei Reisebürowebsites“
26. Juni 2025 10:30 Uhr
mit Paul Cikala von onlineweg.de
online über Zoom
[1]Springer, Gabriele Horcher, 11.03.2024, BFSG-konforme Projekte und Services: https://link.springer.com/article/10.1365/s35764-024-00511-8
[2]Bundesfachstelle Barrierefreiheit, https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz_node.html
[3]Bundesfachstelle Barrierefreiheit, https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Downloads/DE/Externe-Veroeffentlichungen/bmas-leitlinien-bfsg.pdf?__blob=publicationFile
[4]IHK, https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/Recht-und-Steuern/Werbung-Fairer-Wettbewerb/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/
[5]Buzzmatic, https://buzzmatic.net/barrierefreiheit-im-e-commerce-studie/#studienergebnisse
[6]Captera, https://www.capterra.com.de/blog/6894/barrierefreiheit-auf-websites-studie
[7]Touristik aktuell, https://www.touristik-aktuell.de/nachrichten/reisevertrieb/news/datum/2024/09/18/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-jetzt-aktiv-werden/
[8]Bitkom e.V.: https://www.bitkom.org/sites/main/files/2025-01/bitkom-praxisleitfaden-anforderungen-aus-dem-bfsg.pdf
[9]Computerbild, https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-Studie-99-Prozent-Online-Shops-keine-Barrierefreiheit-Gesetz-Juni-2025-39235071.html