DIREKTVERMARKTUNG

Kooperative Ansätze der Direktvermarktung im Deutschlandtourismus

Die Stärken des Reisevertriebs liegen traditionell im internationalen Reiseverkehr, in der Beratung, Bündelung und Vermittlung grenzüberschreitender Reiseleistungen für deutsche Reisende mit Reisezielen im europäischen oder außereuropäischen Ausland. Dabei schlummern große Wertschöpfungspotenziale im Deutschlandtourismus und gleichzeitig tragen Reisen im eigenen Land dazu bei, das Reisen nachhaltiger zu gestalten und den CO₂-Fußabdruck der Tourismusbranche zu reduzieren. Warum den Deutschlandtourismus ausbauen? In unserem Faktencheck liefern wir Argumente, warum es sich lohnt, diesem Segment zukünftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wie sich der Reisevertrieb den Themen Inlandstourismus und kooperative Ansätze mit DMOs nähern kann, erfahren Sie im zweiten Teil unseres Impuls-Beitrags.

Deutschland ist DAS Reiseziel der Deutschen.
Im Schnitt führten 30% aller Reisen der Deutschen mit einer Mindestdauer von 5 Tagen in den Jahren vor Ausbruch der Pandemie in das eigene Heimatland. Durch die Reisebeschränkungen der Pandemie ist der Anteil des inländischen Tourismus im Jahr 2020 sogar auf 45% gestiegen.[1] War Deutschland früher besonders für Kurzurlaube beliebt, hat die Corona-Pandemie zu Zuwächsen bei längeren Urlauben im eigenen Land geführt.[2]

Steigende Affinität für Natur- und Outdooraktivitäten.
Die Lust, den eigenen Urlaub aktiv und sportlich zu gestalten steigt. Besonders im Natur- und Outdoor-Segment hat Deutschland neben einem starken Städtereisensegment viel zu bieten: Radtourismus, Wandern, Wassersport oder naturnahe Erholungsreisen sind nur einige der beliebten Reiseformen, die durch die Vielfalt deutscher Naturlandschaften geboten werden können. Nicht erst durch die Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie sind jegliche Aktivitäten in der Natur und im ländlichen Raum beliebter geworden, sondern auch ein allgemeiner Gesundheitstrend und Wertewandel innerhalb der Gesellschaft hin zu einem bewussteren und gesünderen Lifestyle zahlen auf die Attraktivität naturnaher und aktiver Reiseformen ein. So zeigte der GfK DestinationMonitor, dass die beliebteste Urlaubsaktivität der Deutschen im eigenen Land der Aufenthalt in der Natur ist, mit einer Zustimmung von 68% und einem Zuwachs zum Vorjahr von +12%. Weitere beliebte Aktivitäten sind das Spazieren gehen (42% Zuspruch mit einem Plus von 6%), Wandern (38% Zuspruch mit einem Plus von sogar 10%) und sämtliche Wassersport-Aktivitäten wie Segeln und Surfen mit 22% und immerhin +3% Zuwachs[3].

Mögliche Einstiegshürden in dieses Geschäftsfeld bestehen darin, dass Erlösmodelle für den Reisevermittler teilweise neu entwickelt werden müssen. Leistungsträger haben häufig eigene Kanäle und fokussieren sich auf ihre bereits vorhandenen Direktvermarktungswege. Es braucht also buchbare, verprovisionierbare Pakete, die sich zur Weitervermittlung eignen, überzeugende Verkaufsargumente bieten und gleichzeitig genügend Spielraum mit sich bringen, um die individuellen Kundenbedürfnisse berücksichtigen zu können. Die Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs) sind häufig öffentliche Organisationen oder Mischformen im Sinne von Public Private Partnerships (PPP) und fokussieren sich nicht so sehr auf den Vertrieb, sondern auf die Vermarktung und Inspiration sowie die Koordination touristischer Akteure innerhalb der Region. Sie fungieren als Schnittstelle zu allen touristischen Partnern und bilden ein Art Wissenspool und Kompetenzzentrum für das jeweilige Zielgebiet. Jedes Destinationsmanagement ist mitunter anders strukturiert und so kann es besonders in der Anfangszeit einer gemeinsamen Kooperation zwischen Reisevertrieb und DMO zu einem hohen Kommunikationsaufwand kommen. Bisher mangelt es häufig an einer Kommunikation zwischen dem Reisevertrieb und dem Destinationsmanagement, um gemeinsam ins Geschäft zu kommen und voneinander zu profitieren.

Tipp: Reisewünsche, die nicht dem „Produkt von der Stange“ entsprechen, wie etwa Themenreisen, exklusive Unterkünfte, Wanderungen mit Gepäcktransport, Rundreisen, barrierefreie Unterkünfte, nachhaltige Reiseprodukte und viele weitere lassen sich nicht per Mausklick im Netz auftreiben. Per Spezialisierung und Profilierung über bestimmte Alleinstellungsmerkmale und einen klar kommunizierten Mehrwert hat auch der Reisevertrieb im Deutschland-Tourismus Marktpotenziale, die es zu erschließen gilt.

Mit welchen Angeboten in Deutschland können Sie Ihre Zielgruppe begeistern? Welche Kooperationen helfen Ihnen diese Angebote bereitzustellen?

Regionale Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs) verfügen in der Regel über eine Vielzahl von Angeboten, die über die Destination vollumfänglich informieren. Darüber hinaus können DMOs Kontakte zu einem großen Netzwerk regionaler Leistungsträger bereitstellen. Die Kooperation mit ausgewählten Destinationen kann für Ihr Reisebüro sinnvoll sein, wenn das Image der Urlaubsregion Ihrer Positionierung und den Wünschen Ihres Kundenstamms entspricht. Für eine natur-, sport- und outdooraffine Klientel, sind z.B. jegliche Destinationen spannend, die Sportarten und naturnahe Aktivitäten jeglicher Art anbieten, z.B. die Alpenregionen, das deutsche Mittelgebirge oder die Nord- und Ostsee. Für Genießer und auch ältere Generationen bieten sich z.B. die deutschen Weinregionen an, wo erholsame Aktivitäten in der Natur mit kulinarischen Angeboten, Weinwanderungen und -verkostungen kombiniert werden können.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) setzt sich für den Deutschlandtourismus mit einem eigenen Ausschuss ein, der vom TUI-Manager Gerald Schmidt geleitet wird und das wirtschaftliche Potenzial des Binnenmarkts stärken soll, indem Akteure der inländischen Tourismusbranche stärker vernetzt werden. Daher findet auch ein enger Austausch mit der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und dem Deutschen Tourismusverband (DTV) statt.

Besonders bei Reisenden Ü50 stehen Erholungs- und Natururlaube an erster Stelle. Die sogenannten Silver Agers oder Best Agers zeichnen sich durch eine hohe Zahlungskraft und Konsumfreude sowie längere Gesundheit und Mobilität aus. Deshalb wird diese Zielgruppe auch als die ‚Jungen Alten‘ bezeichnet, da sie tendenziell junggeblieben und gesünder denn je ist, ihr Leben genießen möchte und zunehmend ebenso souverän digitale Kanäle wie jüngere Generationen nutzt[4]. Durch den demographischen Wandel wird diese Zielgruppe weiter wachsen und stellt eine besonders vielversprechende Klientel für den Binnenmarkt dar, da sie den deutschen Zielgebieten aufgeschlossen gegenübersteht und tendenziell kurze Anfahrtswege einer langen und beschwerlichen Anreise vorzieht. Werte wie ein gesunder Lifestyle, Sicherheit, Qualität und Nachhaltigkeit werden nicht nur in dieser Zielgruppe, sondern generationsübergreifend immer wichtiger, bei denen Deutschland als Reiseland mit einem umfangreichen Leistungsangebot punkten kann.

Ein großer Anteil der Reiseleistungen im Inland werden von den Reisenden direkt bei den Anbietern gebucht: die eigene Anreise mit dem Auto und eine gute Präsenz und Buchbarkeit von Hotels oder Ferienwohnungen im Internet hat es zur Gewohnheit gemacht, eine Deutschlandreise eigenverantwortlich zu buchen und dafür nicht ins Reisebüro zu gehen. Was im ersten Moment als Hürde erscheint, kann jedoch auch als Potenzial erkannt werden: viele Reisende möchten auch im Deutschland-Urlaub auf einen gewissen Service und das besondere Urlaubserlebnis nicht verzichten.
Tipps und Tools: Deutschland-Tourismus und Kooperationen im Binnenmarkt

Mit den folgenden Anregungen möchten wir Ihnen Potenziale zum Thema Deutschland-Tourismus aufzeigen, wie der Reisevertrieb zukünftig das Geschäft mit dem Binnenmarkt ankurbeln kann:

  • Proaktiv Kooperationen mit DMOs eingehen: Welche Zielgebiete, Regionen und Urlaubsaktivitäten passen am besten zu Ihrer Positionierung und Ihrer Zielgruppe? Bieten DMOs bereits Reisepakete an, die mit einer Provision weiterverkauft werden können? Gibt es Möglichkeiten, als Eigenveranstalter aufzutreten und neue Reisepakete zu schnüren, die sich durch einzigartige Mehrwerte auszeichnen?
  • Rund-um-sorglos-Pakete verkaufen: Belassen Sie es nicht nur bei den Basis-Leistungen, wie z.B. Anreise und Unterkunft, sondern empfehlen und verkaufen Sie passende Aktivitäten, die Ihre KundInnen ohne Ihr Insiderwissen nicht gefunden hätten und die für unvergessliche Reisemomente sorgen werden.
  • Inspiration und Informationsangebote zum erdgebundenen Reisen erweitern: Im Deutschlandtourismus sind Direktbuchungen bei den Leistungsträgern sehr beliebt. Kommunizieren Sie deshalb, dass der Reisevertrieb auch im Inlandstourismus einen Mehrwert bietet und inspirieren Sie Ihre Reisenden zu attraktiven deutschen Reisezielen.
  • Kooperationsmöglichkeiten mit Tourist-Informationen: Welche Informationen zu Ausflugszielen, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten vor Ort stehen bereits zur Verfügung und helfen Ihren KundInnen sich bereits bei der Reisebuchung einen Überblick über die Möglichkeiten vor Ort zu verschaffen?
Auch verschiedene Anbieter arbeiten an IT-Lösungen und Plattformen, die Reisebüros zukünftig eine bessere Zusammenarbeit mit dem Binnenmarkt ermöglichen:

  • Das CRS-Tool Connected Destination von traffics bietet dem Reisevertrieb die Möglichkeit, Tarife direkt und ohne Umwege abzurufen und dabei Margen zu steigern. Neben Hotelleistungen sind es ebenfalls Angebote direkt aus der Destination buchbar, wie z.B. Kochkurse oder Sightseeing Aktivitäten im Städtetourismus.
  • Auch der im Frühjahr 2021 in Kraft getretene QTA Kollektivvertrag legt einen Schwerpunkt auf das erdgebundene Reisen und den Deutschlandtourismus und bietet den teilnehmenden Büros „anspruchsvolle Vermarktungsstrategien sowie den weiteren Ausbau von Omnichannel-Systemen der QTA-Kooperationen“, so QTA-Sprecher Thomas Bösl.[5] Weitere Details finden Sie hier und in einem Artikel der TouristikAktuell.
  • Auch Destinationen erkennen den Mehrwert von Kooperationen mit dem Reisevertrieb. Ein Beispiel ist die Region Bad Peterstal-Griesbach im Schwarzwald, die sich mit einer „Digitalen Expedientenreise“ um den Reisevertrieb bemüht hat. Mit einem neuen digitalen System der Gästeinformation und Besucherlenkungen, dem „Urlaubs-Kompass“ geht die Urlaubsregion einen weiteren Schritt in Richtung Smart Destination, indem Daten unterschiedlicher Systeme synchronisiert werden, intelligent genutzt und in Echtzeit weitergegeben werden. Dies dient nicht nur den Gästen vor Ort, sondern kann auch Leistungsträger und Vertrieb miteinander verbinden.
  • Zusammenarbeit mit Qualitätsinitiativen: eine Übersicht über die breite Landschaft an Qualitätssiegel und -initiativen, die meist themen- oder zielgruppenspezifisch ausgerichtet sind, bietet der Deutsche Tourismusverband auf seiner Website. Diese Qualitätsinitiativen können ExpedientInnen als wertvolle Richtlinie dienen, um sich auf einen Themenbereich oder eine bestimmte Zielgruppe auszurichten und geeignete Kooperationspartner zu finden. So zeichnet z.B. die bundesweite Initiative „Reisen für alle“ Unterkünfte und Reisedienstleister aus, welche durch eine Prüfstelle festgelegte und extern kontrollierte Kriterien zur Barrierefreiheit erfüllen können. Auch Reisebüros selbst können sich dieser Initiative anschließen, um so die Barrierefreiheit entlang der Servicekette zu gewährleisten.

Literaturverzeichnis

[1] VIR (2020): Daten und Fakten zum Online-Reisemarkt 2020. Online verfügbar unter https://v-i-r.de/wp-content/uploads/2020/03/web_VIR-DF-2020.pdf, zuletzt geprüft am 22.02.2022.

VIR (2021): Daten und Fakten zum Online-Reisemarkt 2020. Online verfügbar unter https://v-i-r.de/df/2021/, zuletzt geprüft am 22.02.2022.

[2] DTV 2021 Beliebteste Aktivitäten der Deutschen bei einem Urlaub in Deutschland im Jahr 2020. Online verfügbar unter https://bw.tourismusnetzwerk.info/wp-content/uploads/2021/04/DTV_ZDF_2021.pdf; S. 15, zuletzt geprüft am 24.02.22

[3] GfK SE 2021 gefunden in DTV (2021): Beliebteste Aktivitäten der Deutschen bei einem Urlaub in Deutschland im Jahr 2020. Online verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/733842/umfrage/beliebteste-aktivitaeten-deutscher-urlauber-in-deutschland/;(S. 18), zuletzt geprüft am 22.02.2022.

[4] Veres, S.; Raich, M.; Blank, C. (2018): Bedürfnisse und Ansprüche der Silver Ager in
der gehobenen Hotellerie am Beispiel Tirols. In: Müller & Raich: Die Zukunft der Qualitativen Forschung. Springer Gabler. Wiesbaden. DOI: 10.1007/978-3-658-23504-8.

[5] Zitiert aus einem Artikel auf Reisevor9, abrufbar unter https://www.reisevor9.de/inside/qta-hat-22-partner-fuer-kollektivvertrag, zuletzt geprüft am 24.02.22.