TOURISTISCHE ZIELGRUPPENANALYSE

Touristische Zielgruppen verstehen: Handlungsempfehlungen für den Reisevertrieb

Mit diesem Leitfaden möchten wir Ihnen als MitarbeiterIn oder InhaberIn eines Reisebüros Einblicke in verschiedene touristische Zielgruppen und deren Bedürfnisse geben, strukturiert nach Reiseverhalten und Lebensstilen. Die Einteilung von Kundengruppen kann nach ganz unterschiedlichen Kriterien erfolgen, darunter z.B. sozio-demografische Angaben wie das Alter, das Einkommen oder die Haushaltsgrößen. Wir möchten uns auf diejenigen Kriterien konzentrieren, die den Kauf touristischer Leistungen besonders beeinflussen und betrachten daher das Reiseverhalten und Lebensstile, zu denen auch das verfügbare Budget zählt. Daraus leiten wir einige Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Ausrichtung des Reisevertriebs ab, die als Impulse verstanden werden können, die jedoch keinerlei Garantie bieten unter sämtlichen Realbedingungen zu einem direkten Erfolg zu führen. Der Erfolg einzelner Maßnahmen hängt von noch vielen weiteren, sehr individuellen Rahmenfaktoren ab, die nur sehr schwer für alle Reisebüros auf dem Markt pauschalisiert werden können.

Warum ist es so wichtig, sich Gedanken über Ihre Zielgruppe zu machen?

Es gibt eine Vielzahl von Herangehensweisen an die Themen Kundenbindung und Kundenneugewinnung, aber natürlich binden all diese Marketing-Aktivitäten Zeit, Geld und personelle Ressourcen. Es ist daher unrealistisch alles gleichzeitig umzusetzen, besonders für kleine und mittelständische, teils inhabergeführte Reisebüros. Anstatt des „Schrotflinten-Prinzips“ ist es also sinnvoller, zielgerichtete Marketingaktivitäten zu konzipieren, ganz nach dem Motto „Klasse statt Masse“. Zum erfolgreichen Verkauf Ihrer Reiseprodukte und Services, ist es daher sinnvoll, sich zuerst ein Bild von dem Buchungs- und Reiseverhalten, den Wünschen und Bedürfnissen Ihrer Zielgruppe zu machen.

Es empfiehlt sicher daher in einem ruhigen Moment eine kleine Zielgruppenanalyse durchzuführen. Spielen Sie Detektiv in Ihrem eigenen Unternehmen, um Ihre KundInnen besser zu verstehen. Die folgenden Schritte können Ihnen dazu als Fahrplan dienen:

Verstehen Sie Ihre Zielgruppe: 

  1. Welche soziodemographischen Daten beschreiben Ihre Kundinnen und Kunden (bei Privatpersonen können das Merkmale wie Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße oder Einkommen sein; bei Firmen die Unternehmensgröße, Mitarbeiterzahl, Branchenzugehörigkeit, etc.)?
  2. Welche psychographischen Merkmale, wie Einstellungen und Verhaltensweisen, beschreiben Ihre Zielgruppe (z. B. treues oder sprunghaftes Einkaufsverhalten, Risikobereitschaft, sehr preisgetrieben oder liegt der Fokus auf den Leistungen)?
  3. Wie erreichen Sie Ihre Zielgruppe? Über welche Kanäle? Wann? Ist Ihre Zielgruppe stark auf digitalen Kanälen unterwegs oder sind es die „Schaufenster- und analogen Shopper“?
  4. Über welche sonstigen Merkmale können Sie das Kaufverhalten Ihrer KundInnen beschreiben?
  5. Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie in dem Kaufverhalten und den Ansprüchen Ihrer KundInnen?
  6. Welche vorhandenen Kundendaten können Sie nutzen, um Ihre Kundengruppen besser zu verstehen? Welche sind z.B. Ihre besonders absatzstarken Produkte und von wem werden sie nachgefragt?
Die touristischen Zielgruppen und ihre Anforderungen an die Reisebuchung
Zielgruppen lassen sich nach verschiedenen Merkmalen unterscheiden, darunter z.B. eine der gängigsten Einteilungen nach dem Alter der Personen. Für die (Neu-)Ausrichtung des Reisevertriebs ist es spannend zu verstehen, welche touristischen Zielgruppen es gibt und welche Bedürfnisse ihre Anforderungen an den Reisevertrieb bestimmen. Dafür haben wir im folgenden eine Zielgruppenanalyse zusammengestellt und aufgeführt, welche konkreten Handlungsempfehlungen sich für den Reisevertrieb aus den Zielgruppencharakteristika ableiten lassen. Die touristischen Zielgruppen sind sowohl nach Lebensstil als auch nach Urlaubsreiseverhalten typologisiert. Eine Auflistung der Quellen, die diese Zielgruppenanalyse stützen, finden Sie ganz unten auf dieser Seite.[1]

Die Vorsichtigen:

Handlungsempfehlungen:
  • Wunsch nach klar definierten Reiseangeboten mit detaillierten Auskünften (z. B. Virtual Reality Brille mit virtueller Hotelführung)
  • Ausführliche Abklärung von Haftungsfragen
  • Tendenziell Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit
  • Kompetente Reiseberatung mit detaillierten Länderkenntnissen, insbesondere zu politischer Lage, Sicherheitslage etc.
  • Sachliche Beratung
  • Schlichtes Reisebüro-Interieur
  • Überzeugende, reibungslose Abwicklung im Falle eines Haftungsfalls
  • Möglichkeit zur Nutzung von Expertenplattformen oder Einbindung von Kollegen in der Zieldestination
  • Angebot von Reiseversicherungen und Unterstützungsmöglichkeiten durch das Reisebüro

Die Familienurlauber:

Handlungsempfehlungen:
  • Bei Familien mit Kindern besteht oft der Wunsch, dass Unterkünfte eine Kinderanimation besitzen
  • Reisebüro-Interieur spielt eine weniger große Rolle - pragmatische Vorteile punkten
  • Kenntnisse über klassische Reiseziele für Familien
  • Miteinbringen eigener Ideen ist gewünscht
  • Individuell nach Kundenwünschen zusammengestellte Reiseangebote
  • Ausgewogene Lage der Unterkünfte (Sowohl Entspannung als auch Sightseeing muss möglich sein). Transfer zur Unterkunft und zurück so simple wie möglich gestalten


Die Sparsamen:

Handlungsempfehlungen:
  • Interieur des Reisebüros spielt keine entscheidende Rolle
  • Hinweise auf attraktive Reiseangebote bzw. Schnäppchen (z. B. All-inclusive)
  • Beratungsfokus vermehrt auf den Angeboten mit Informationen zu Preisen und Leistungen, weniger auf Destination
  • Informationen zu Treueangeboten, Rabatten und den besten Preisen
  • Digital Signage (Digitale Beschilderung) - Monitore zur Darstellung und Vergleichbarkeit der Angebote aller angebotenen Marken
  • Hinweise auf kostenlose Mehrleistungen


Die Partyurlauber:

Handlungsempfehlungen:
  • Kenntnisse über klassische Reiseziele für Partytouristen
  • Gutscheine und Angebote von Clubs, Bars, etc. anbieten
  • Hinweise auf attraktive Reiseangebote bzw. Schnäppchen (z. B. All-inclusive)
  • Beratungsfokus vermehrt auf Angebot, weniger auf Destination
  • Hinweise auf kostenlose Mehrleistungen
  • In Hinblick auf eine meist junge Zielgruppe: Online-Marketing-Aktivitäten, Möglichkeiten der Online-Marketing-Aktivitäten, Möglichkeiten der Online-Buchbarkeit in Erwägung ziehen

Die Träumer:

Handlungsempfehlungen:
  • Persönliche und einfühlsame Beratung mit hoher Empathie bieten
  • Inspirationsquellen mit persönlicher Note schaffen (z. B. Reisebüro-Blog von Mitarbeitern)
  • iPads während der Beratung nutzen
  • Rund-um-Beratung, damit der Urlaub möglichst entspannt wird
  • Inspirierende Vorträge planen
  • Auf der eigenen Website mit aussagekräftigen Bildern arbeiten: Menschen am Sechnsuchtsort darstellen, Bilder und Motive wählen, mit denen sich die Zielgruppe am besten identifizieren kann
  • Bequemen Buchungsprozess garantieren
  • Reisemagazine kostenfrei bereitstellen, Blogs mit Insiderinformationen empfehlen

Die aktiven Genießer:

Handlungsempfehlungen:
  • Exklusive, alles-umfassende Angebote mit Berücksichtigung von Sonderwünschen
  • Diese Zielgruppe legt besonderen Wert auf kompetente, gut ausgebildete und freundliche Beratung mit Spezialwissen sowie Tipps und Empfehlungen bezüglich Reiseziele und -routen, Aktivitäten, Attraktionen und Verhaltenstipps
  • Kenntnisse zu exotischen bzw. ausgewählten Destinationen "off the beaten track"
  • Auf ein hochwertiges, stilvolles Reisebüro-Interieur achten
  • Hochwertige Reiseunterlagen und Give-Aways zur Verfügung stellen
  • Diverse Zusatzservices anbieten: private Transfers, Reiseversicherung, Airport-Lounges und -parkplatz, Mietwagen, Sprachcoaching, Reiseliteratur und Gesundheits-Checks

Die Umweltbewussten:

Handlungsempfehlungen:
  • Breites Angebot mit Fokus auf erdgebundenes Reisen und ökologisch-nachhaltige Unterkünfte
  • Informationen sammeln über die Sozialverträglichkeit der eigenen Reiseprodukte: wie wird das Personal und die Guides vor Ort bezahlt?
  • Netzwerk zu Reiseveranstaltern aufbauen, die sich auf nachhaltiges Reisen konzentrieren
  • Beratungskompetenz zu Fragestellungen des nachhaltigen Reisens, z. B. ökologischer Fußabdruck von verschiedenen Angeboten
  • Fundierte Kenntnisse zu diversen Umwelt- und Fairtrade-Labels
  • Die eigene Büro-Organisation auf eine papierlose Arbeitsweise umstellen: Wo können Ausdrucke vermieden werden? Wann können den Gästen Informationen per Mail zugeschickt werden anstatt, dass diese gedruckt werden?
  • CO2-Kompensationsprogramme anbieten wie z. B. Atmosfair

Die Abenteurer:

Handlungsempfehlungen:
  • möglichst flexible Buchungsoptionen
  • Beratung durch Geheimtipps anreichern
  • Entgegenkommen bei individuellen Sonderwünschen
  • Geschichten über persönliche Erlebnisse und Erfahrungen erzählen
  • Unkomplizierte Kommunikation, z. B. über Messenger-Dienste vor, während und nach der Reise anbieten
  • Inspirierendes Interieur des Reisebüros (z. B. mit interaktiver Weltkarte)
  • Informationen online ansprechend aufbereiten
  • Inspirierende Vorträge planen
  • Rasche Auskunft und schnelle Antworten anbieten
  • Reisemagazin, Blogs etc. mit Insiderinformationen zur Verfügung stellen
  • Reisen als Lifestyle-Produkt verkaufen
Fazit

Bei der Betrachtung der Bedürfnisse und Reisepräferenzen unterschiedlicher Kundensegmente wird deutlich, dass sowohl die Trendsensiblen als auch die Nur-Erholer & Genießer mit hohem Budget ein besonders hohes Potenzial für den Reisevertrieb bieten: sie kennzeichnet der Wunsch nach einem Rundum-Sorglos-Urlaub, was gleichzeitig mit einer anspruchsvolleren Erwartungshaltung einhergeht. Für die erfolgreiche Positionierung von Reisebüros ist es wichtig zu verstehen, welche Bedürfnisse ihre Kundengruppen auszeichnen oder welche Zielgruppen sie bewusst ansprechen möchten, um ihre Angebote und Services dementsprechend zu gestalten.

Für die erfolgreiche Ausrichtung Ihrer unternehmerischen Aktivitäten ist es nicht nur wichtig zu verstehen, welche Reiseprodukte sich Ihre Zielgruppe wünscht, sondern auch wie Sie sie am besten erreichen. Wo – d.h. auf welchen Kanälen, Plattformen, Orten treffen Sie Ihre KundInnen an und mit welchen Messages können Sie sie von sich überzeugen?
Mehr zum Thema Zielgruppen im Tourismus?

Junge Leute gehen nicht ins Reisebüro? Wir haben mit ihnen gesprochen und sie nach ihren Bedürfnissen rund um das Thema Reisen und Reisevorbereitung gefragt. Lesen Sie in unserem Beitrag "Junge Zielgruppen verstehen", was die Generation Z und Y bewegt.

Literaturverzeichnis

Diese Übersicht verschiedener touristischer Zielgruppen wurde in Anlehnung an folgende Quellen zusammengestellt:

Gallup (1989): Unique Four Nation Travel Study Reveals Traveler Types. London, American Express

Müller, H., Bandi, M., Julen, C. & Pfammatter, A. (2019): Zukunft des stationären Reisebüros – Entwicklungen, Trends, Zukunftsperspektiven und mögliche Strategien (CRED-Bericht 18). Bern: CRED – Center for Regional Economic Development. DOI: 10.7892/boris.142220.

Romeiß-Stracke, F. (1989). Neues Denken im Tourismus: Ein tourismuspolitisches Konzept für Fremdenverkehrsgemeinden. ADAC-Zentrale

Zehrer, A.; Frischhut, B. (2008): Sinus Milieus – ein moderner Ansatz zur Marktsegmentierung. In: Siller, H.; Zehrer, A. (Hrsg.): Schriftenreihe Tourismus & Freizeitwirtschaft. Band 3. Innsbruck, S. 95-110.