Nachhaltigkeit im Reisevertrieb

Urlaubsreisen nachhaltiger gestalten, besonders im sozialen und ökologischen Sinne, wird zwar von 56% der Deutschen als wichtig angesehen, aber die tatsächliche Nutzung von nachhaltigen Produkten, Dienstleistungen oder Ausgleichsprogrammen liegt nur bei 30%[1] bzw. unter 10%[2],[3]. Diese Zahlen legen nahe, dass ein großes Marktpotenzial besteht. Zur Schließung der Lücke zwischen Einstellung und Buchungsverhalten und für einen zukunftsfähigen und fairen Tourismus ist es ausschlaggebend nachhaltige Reiseangebote zu fördern, KundInnen über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Urlaubsreise zu informieren, nachhaltige Alternativen vorzuschlagen und in Erwägung zu ziehen, als Reisebüro selbst nachhaltige Aspekte in das betriebliche Wirtschaften zu integrieren. Im Folgenden soll daher die Frage beantwortet werden, wie sich ein Reisebüro im Kontext des nachhaltigen Tourismus positionieren kann.

Was ist nachhaltiger Tourismus?

Nachhaltiger Tourismus basiert auf dem Ansatz der Nachhaltigkeit bzw. nachhaltigen Entwicklung.[4] Für die beiden Ansätze bestehen diverse Definitionen, aber verkürzt kann Nachhaltigkeit als ein Konzept beschrieben werden, welches eine „wirtschaftlich leistungsfähige, sozial ausgewogene und ökologisch verträgliche Entwicklung“ vorsieht.[5] Die drei Komponenten der Nachhaltigkeit, genauer gesagt Soziales, Ökonomie und Ökologie, stehen dabei in Wechselwirkung. Als langfristiges Ziel sollten diese bei Entscheidungen vereint und ausgewogen berücksichtigt werden[4]

Abb. 1: Nachhaltigkeitsdreieck (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesregierung (2012))

Doch was zählt zu den einzelnen Komponenten? Bezogen auf den Tourismus fällt unter den sozialen Aspekt die Achtung der sozialen Verträglichkeit, d.h. beispielsweise den Erhalt der kulturellen, regionalen Identität und der Lebensbedingungen für Einheimische, die Erstellung von Angeboten für Gäste mit besonderen Bedürfnissen (SeniorInnen, Menschen mit Behinderung, Familien, sozial Schwächere), Beachtung der Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen.[6]

Zu der ökologischen Komponente zählt die Berücksichtigung von Umweltaspekten. Demnach sollen Entscheidungen bei der touristischen Produktentwicklung oder des Infrastrukturbaus die Qualität der betroffenen Umwelt, der Landschaft und der Biodiversität beachten und diese möglichst wenig beeinträchtigt werden, da diese als wichtige Grundlage für den Tourismus zukünftig nicht zerstört werden sollten.[7] Zudem belastet der Tourismus durch eine schadstoffreiche An- und Abreise, hohen Wasserverbrauch, Abfallproduktion, Flächenbedarf und naturnahe Aktivitäten touristische Regionen stark, weshalb die ökologische Tragfähigkeit (s. Exkurs[8]) einer Region bei zukünftigen Entscheidungen ebenfalls beachtet werden muss.[9]

Die ökonomische Komponente umfasst die Sicherstellung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, denn der Tourismus sichert Arbeitsplätze, kann zur Armutsminderung und Regionalentwicklung beitragen und sorgt für Einkommen und Devisen – häufig in den wirtschaftlich schwächeren peripheren Räumen. Allerdings ist der Tourismus ein häufig saisonales Geschäft, reagiert sensibel auf politische Instabilität und Krisen und Destinationen stehen in einem starken Wettbewerb, weshalb Entscheidungen auf lange Sicht rentabel ausgelegt sein sollten.[10]

Nachhaltiger Tourismus sollte deshalb sozio-kulturell, ökologisch und wirtschaftlich verträglich sein und langfristig „sozial gerecht, kulturell angepasst, ökologisch tragfähig, für [die] ortsansässige Bevölkerung wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig“ sein[9].

Exkurs „Ökologische Tragfähigkeit“:

Ein Lebensraum kann nur eine maximale Zahl an Organismen, Arten oder Populationen bis zu einem bestimmten Sättigungsgrad tragen. Eine Überschreitung dieser Wachstumsgrenze bedeutet eine Übernutzung des Lebensraums, Gefährdung der Ernährungssicherheit und Beeinträchtigung der natürlichen Regenerationsfähigkeit des Ökosystems. Eine genau Angabe zum Sättigungsgrad muss individuell getroffen werden, ist nur für kleine und einfache Lebensräume möglich und ist von diversen Faktoren abhängig.

Wie kann sich Ihr Reisebüro nachhaltig aufstellen?
... IM EIGENEN BÜRO?

Es geht nicht nur darum „grüne“ Reisen zu promoten, sondern auch im eigenen Betrieb ein nachhaltiges Wirtschaften anzustreben. Ziel dabei ist es, den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft in den Fokus zu stellen, und dennoch wirtschaftlich zu handeln.

Ökonomie
  • Eigenes Leitbild erstellen und auf der Website veröffentlichen: Bezug zu Schutz von Menschenrechten, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Biodiversität und kontinuierliche Verbesserung[11]
  • NachhaltigkeitsmanagerIn benennen: Koordination von internen Nachhaltigkeitsaufgaben, Motivation MitarbeiterInnen, AnsprechpartnerIn für PartnerInnen/Lieferanten/Stakeholder zu Fragen der Nachhaltigkeit11
  • Verhaltenskodex für Lieferanten aufsetzen: LeistungsträgerInnen müssen von Ihnen bestimmte Nachhaltigkeitsprinzipien im Bereich Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Biodiversität einhalten11
  • Regelmäßig an Schulungen zur Nachhaltigkeit teilnehmen bzw. Ihren MitarbeiterInnen anbieten11: Lernplattform von Travellife und Futouris (kostenfreies Tool zum Einstieg in den Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten im Reisebüro), DRV-Green Counter Online Schulung (kostenfreie Schulung für MitarbeiterInnen im Reisevertrieb)
  • Beratungsentgelt einführen
  • Solide Margen
  • Diversifizierung von Angeboten, um nicht nur ein Standbein zu haben
Ökologie
  • Energieeffizienz der Büroräume steigern: Solarzellen, Wärmepumpe, LED-Technik, alle Geräte nachts ausschalten und 100% Ökostrom beziehen -> Strategieberatung z.B. über ClimatePartner[12]
  • CO2-Kompensation der Dienstreisen, z.B. über atmosfair[11]
  • Wenn möglich ressourceneffizientere Transportmittel wählen, z.B. E-Bike statt Dienstwagen[11]
  • Papierverbrauch überwachen und auf papierarm umstellen: Kataloge durch Online-Infos, E-Journals, E-Mags oder Tablets am Counter ersetzen, (Unterschriften-)Pads einführen, Reisebüro-Apps nutzen[13]
  • Wenn papierarm nicht möglich ist, FSC- und Blauer Engel-zertifiziertes Recyclingpapier nutzen[14]
  • Recycling von Abfällen und abfallarmer Einkauf[15]
  • Beim Einkauf von Waren (z.B. Lebensmittel im Büro, Kataloge) nachhaltigen Angeboten Vorrang geben: regional produzierte, ökologische, fair gehandelte und umweltfreundliche Produkte[16]
  • Bei Versand auf klimaneutrale Versanddienste wie DHL Go-Green setzen[17]
  • Konto bei einer Ethikbank eröffnen[18]
Soziales
  • Barrierefreies Büro: Umbaumaßnahmen können gefördert werden z.B. durch das Förderprogramm „Barrierefreiheit für alle“ der Aktion Mensch15
  • Angebot von freiwilligen (Sozial-)Leistungen für Ihre MitarbeiterInnen wie Mobilitätszuschuss, freie Verpflegung, E-Bikes, etc.[19]
  • Faire und mindestens existenzsichernde Bezahlung Ihrer MitarbeiterInnen inklusive Überstundenregelung15
  • Gerechte und chancengleiche Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten15

 

... IM EIGENEN BÜRO?

Es geht nicht nur darum „grüne“ Reisen zu promoten, sondern auch im eigenen Betrieb ein nachhaltiges Wirtschaften anzustreben. Ziel dabei ist es, den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft in den Fokus zu stellen, und dennoch wirtschaftlich zu handeln.

Literaturverzeichnis

[1] Befragte geben an, dass bei der Entscheidung für ein nachhaltiges Reiseangebote Nachhaltigkeit ein Aspekt neben weiteren war.

[2] Befragte geben an, dass der Nachhaltigkeitsaspekt ausschlaggebend war für die Buchung des nachhaltigen Reiseangebots.

[3] Schmücker, Sonntag & Günther (2019).

[4] Strasdas (2017)

[5] Bundesregierung (2021)

[6] BMLRT (o.J.); Forum Umwelt & Entwicklung (1998)

[7] BMLRT (o.J.)

[8] Spektrum (1999)

[9] Forum Umwelt & Entwicklung (1998)

[10] BMLRT (o.J.); Forum Umwelt & Entwicklung (1998)

[11] TourCert (2021)

[12] TourCert (2021), Linsenmaier (2019b)

[13] TourCert (2021); IVR Reisebüros (o.J.); wasmitreisen (2021); Touristik Aktuell (2019)

[14] Chamäleon Reisen (o.J.)

[15] TourCert (2021)

[16] IVR Reisebüro (o.J.)

[17] DHL (o.J.)

[18] Linsenmaier (2019a)

[19] TourCert (2021); IVR Reisebüro (o.J.)